Ein imperialistischer Raubzug und seine Fortsetzung mittels ESM

Der global gesehen kleine, aber dennoch effektive österreichische Imperialismus kennt einen entscheidenden Turnaround, nämlich die politischen Ereignisse – die Konterrevolutionen –  der Jahre 1989/90 in Ost- und Südosteuropa. In den letzten 20 Jahren war das österreichische Großkapital der Hauptnutznießer der Wiedereingliederung der ehemals sozialistischen Staaten Europas in das System des Imperialismus, optimiert durch den EU-Anschluss der meisten dieser Länder. Hier waren Gewinne zu holen, von denen man zuvor nur träumen konnte. Die Weltwirtschaftskrise der letzten Jahre bringt jedoch ein böses Erwachen.

Eineinhalb Billionen Euro stehen an offenen Ost- und Südosteuropa-Krediten bei verschiedenen Banken aus der EU zu Buche. Knapp 20% davon – die relative Mehrheit –entfallen auf österreichische Banken, jeweils 15% auf deutsche und italienische. Das ist erstaunlich, denn bei der BRD und Italien handelt es sich nicht nur um wesentlich größere Volkswirtschaften, sondern in der Regel auch um weitaus größere Banken. Das hat zur Folge, dass jenes gesamte Exposure österreichischer Banken in Osteuropa, das nicht weniger als 236 Milliarden Euro beträgt, stolzen 78% des österreichischen BIP (2011: 301,3 Mrd.) entspricht. Das Risiko einer solchen Situation in Krisenzeiten hat auch schon die EU-Kommission entdeckt: Denn mit diesem Exposure steht nicht nur ein Vielfaches des Kernkapitals der österreichischen Banken, sondern auch eine Summe, die es dem österreichischen Staat im Ausfallsfall unmöglich machen würde, die eigenen Banken – die von größter (kapitalistischer) Systemrelevanz sind – aufzufangen. Ein Durchschlagen der Krise auf z.B. Ungarn, die Slowakei, Rumänien, die Ukraine oder die ehemaligen jugoslawischen Länder könnte das gesamte österreichische Bankwesen mit einem Schlag ruinieren.

Schuldenmachen für die Banken

Müsste der österreichische Staat tatsächlich für „seine“ Banken einstehen, so wäre er sofort selbst pleite, nicht mehr über Staatsanleihen refinanzierbar und ein Fall für EU-„Rettungsaktionen“ – das kennen wir schon aus Griechenland, Portugal oder Spanien. Neu ist nun aber der permanente Rettungsschirm ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus). Sollte dieser in ausreichend vielen Euro-Ländern beschlossen werden – und das wird er –, dann können sich marode Banken ohne Vermittlung der Staatsebene unter den ESM begeben. Mit einem ESM-Stammkapital von rund 700 Milliarden Euro und einem Gesamtausmaß von 1,5 Billionen gingen sich da ein paar österreichische Banken schon aus. Finanziell muss man sich keine Sorgen machen, (wirtschafts-)politisch hingegen sehr wohl.

Denn die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wurde für die ESM-Beschlüsse zu Hause zwar einigermaßen gescholten (man stünde nun für eine „Schuldenunion“ ein und wäre vor Italien,  Spanien und indirekt Frankreich in die Knie gegangen), doch in Wahrheit bedient der ESM die unmittelbarsten Interessen des deutschen Monopol- und Finanzkapitals. Diese sind: 1. die bedingungslose Aufrechterhaltung der (oder zumindest einer) Euro-Zone als Voraussetzung der deutschen Produktions- und Exporthegemonie; 2. die Garantierung der Rückflüsse an deutsche Banken aus den „Krisenländern“ als Voraussetzung eigener finanzieller Stabilität und finanzkapitalistischer Hegemonie; 3. die Schaffung von Durchgriffsrechten in nationale Budget- und Wirtschaftspolitiken als Voraussetzung politischer Hegemonie in Europa. – Zentral wird hierbei die Schaffung eines EZB-Kontrollgremiums für ESM-„Kunden“ sein, denen dann von Berlin, Frankfurt, Brüssel und Luxemburg aus Maßnahmen diktiert werden. Das Sagen haben hier dann natürlich die Mehrheitseinzahler und das ist, vor allem wenn die südeuropäischen Krisenländer um ihre Stimmrechte umfallen, natürlich und mit großem Abstand Deutschland, erst recht mit ein paar kleineren Verbündeten mit ähnlichen Interessen wie z.B. Niederlande oder Österreich.

Denn für Österreich gilt im Kleinen natürlich genau das Gleiche wie für Deutschland an der Spitze der finanzkapitalistischen Nahrungskette. Der ESM greift immer im schwächsten Glied, im österreichischen Fall also gegebenenfalls in Osteuropa, womit eine Firewall für die österreichischen Banken geschaffen wurde. Sie können nicht pleitegehen, solange das ESM-System funktioniert, was ja Deutschland garantiert. Da kann man formal schon ein paar politische Kompetenzen abgeben, die realpolitisch ohnedies nie einsatzfähig waren – so sehen es wohl die SPÖ-Führung und die ÖVP sowie deren finanzkapitalistische Systempartner wie Erste Bank, Raiffeisen/Uniqa, Wiener Städtische, BAWAG etc.

Imperialistische Raubzüge

Doch genug von Banken, Konzernen und ihren politischen Ausschüssen (vulgo „Regierungen“)! Was heißt das alles für die „einfachen“ Menschen in Österreich und Osteuropa? Es bedeutet, dass die imperialistischen Raubzüge weitergehen, zynischer Weise sogar begünstigt durch die Krise. Zugunsten der Euro-, Banken- und Krisenstaatenrettung werden Sparpakete institutionalisiert, die ausgabenseitig bloß diejenigen treffen, die ohnedies nichts oder immer weniger haben: ArbeiterInnen und Angestellte, Arbeitslose, PensionistInnen, Auszubildende, SchülerInnen und Studierende, kleine Selbstständige. Einnahmenseitig bleibt die Hauptlast bei den Lohn- und Massensteuern, also ebenso bei der Arbeiterklasse, womit sich das Kapital saniert.

Nötig wäre die Erkenntnis über die Zusammenhänge. Österreichische und osteuropäische ArbeiterInnen haben dieselben Interessen. Es sind dieselben Banken, dieselben EU-Institutionen und dieselben Mechanismen des Imperialismus und Kapitalismus, die sie bedrohen, ausbeuten und ruinieren. Der herrschenden Minderheit gelingt es jedoch recht gut, dauernd ein geeintes Europa zu propagieren und gleichzeitig die verschiedenen Nationen gegeneinander auszuspielen: wohlhabendere gegen arme, fleißigere gegen faule, ehrliche gegen Lügner. Die wirklichen Lügner stehen aber immer im jeweiligen eigenen Land und sitzen in den Regierungen, die sich regelmäßig in Brüssel zusammenrotten. Zeit, sich auch zusammenzurotten. Denn wir sind Millionen und mehr als eine Handvoll Millionäre.