Keine-Kohle

Unsere Generation wird die erste der Nachkriegszeit sein, die hinter den Lebensstandard ihrer Eltern-Generation zurückfallen wird. Diese düstere Zukunftsaussicht ist längst zur Tatsache und für hunderttausende junge Menschen in Österreich zur beklemmenden Alltagserfahrung geworden. Mit „Generation Praktikum“ oder „Generation Y“ benennen SoziologInnen dieses Phänomen hierzulande recht abstrakt, eine deutlichere Sprache spricht der spanische Begriff „Generation 1000 Euro“ oder gar dessen griechisches Pendant: „Generation 700 Euro“.  Aber auch damit wird nur die Spitze des Eisbergs sichtbar.

Denn unter der Oberfläche raubt uns ein Mix aus finanziellen Sorgen, Stress, Versagensängsten, sozialer Kälte, fehlenden Zukunftsperspektiven und Leistungsdruck nachts den Schlaf und lässt uns tagsüber nicht zur Ruhe kommen. Hand in Hand damit gehen ständige Unsicherheit, die Unmöglichkeit einer Lebensplanung, die über das nächste Monat hinausreicht, und soziale Ausgrenzung als Folge der neoliberalen Verwertung aller Lebensbereiche: Wer kein Geld hat, muss draußen bleiben. Immer mehr Menschen halten unter diesen Bedingungen dem Druck des Alltags nicht mehr stand, gesellschaftliche Isolation und Rückzug nehmen ebenso zu wie psychische Erkrankungen:

„Wenn ein totalitäres Regime sich etwa dadurch auszeichnet, dass seine Untertanen nachts schweißgebadet, mit rasendem Puls und dem Gefühl einer unerträglichen Last auf der Brust, ja mit existenzieller Angst, aufwachen, dann leben wir unter einem totalitären Steigerungsregime: Vermutlich kennen Bürger spätmoderner, liberalkapitalistischer Gesellschaften dieses Gefühl in weit höher Zahl und in größeren Maße als die Untertanen fast aller politischer Diktaturen. Ihre Angst gilt nicht dem Geheimdienst oder den Schergen eines Tyrannen. Sie wachen auf aus Sorgen, nicht mehr mitzukommen, nicht mehr auf dem Laufenden zu sein, die Aufgabenlast nicht mehr bewältigen zu können, abhängt zu werden – oder in der erdrückenden Gewissheit (etwa als Arbeitslose oder Ausbildungsabbrecher) bereits abgehängt zu sein“, so bringt Harmut Rosa diese Lebensbedingungen drastisch auf den Punkt.

Wie ein Hohn klingen demgegenüber die Phrasen der PR-Fuzzis, die uns diese „schöne, neue Welt“ anpreisen wollen:

„Dir steht die Welt offen“, verkünden die Stelleninserate jener Unternehmen, die auf die verzweifelt abgesendete fünfzigste Bewerbung noch nicht einmal mit einem lausigen Absagebrief antworten.

„Leistung muss sich lohnen“, tönen PolitikerInnen, deren auf Konzerninteressen zugeschneiderte Gesetze dafür sorgen, dass wir „flexibel“ ausgepresst und weggeworfen werden dürfen.

„Wenn du dich anstrengst, schaffst du alles.“, vernehmen wir unisono aus TV, Radio und Zeitungen, die uns zu stumpfsinnigen, vereinzelten Teilchen einer asozialen Ellbogengesellschaft erziehen wollen.

Und diese Phrasen sind tatsächlich Hohn, denn auf der Agenda der Eliten steht seit dem Schwenk zur neoliberalen Spielvariante des Kapitalismus eine deutliche Senkung des Lebensstandards der breiten Masse auch in Europa, das Zauberwort dabei heißt „globale Wettbewerbsfähigkeit“. Der sozialstaatliche Schutt der Nachkriegszeit wurde und wird auf dem Weg zum totalen Markt Stück um Stück entsorgt, in verschärfter Gangart seit Beginn der Weltwirtschaftskrise. Damit reitet man sich zwar noch tiefer in die Scheiße, aber etwas anderes lässt die kapitalistische Profitlogik nicht zu.

Nur sollten wir als Lehrlinge oder jobhoppende AkademikerInnen, Erwerbslose oder unterbezahlte PraktikantInnen die Logik der Konzernetagen und Bankvorstände nicht zu unserer Logik machen, sondern in Konfrontation mit diesen für sichere Arbeits- und Lebensverhältnisse und ein Einkommen zum Auskommen streiten. Und vor allem sollten wir aufhören zu glauben, dass wir mit unseren Problemen und Sorgen alleine sind, sondern anfangen, uns über unsere soziale Lage auszutauschen und uns solidarisch zu unterstützen. Und nicht zuletzt sollten wir den Ratschlag von Bertolt Brecht befolgen: „Dass du untergehst, wenn du dich nicht wehrst, das wirst du doch einsehen!“

Ein Kommentar von Robert Krotzer (KJÖ-Bundesvorsitzender)