Wie der Freund und Helfer des Kapitals die bestehenden Verhältnisse durchsetzt und wie der Widerstand dagegen wächst.

Bericht und Einschätzung der KJÖ-Delegation von den G20-Protesten

 

Am Wochenende hatten sich die schlimmsten Befürchtungen und furchterregendsten Prophezeiungen der bürgerlichen Presse und des politischen Establishments bestätigt. Entgegen der anfänglichen Prognosen von 8000 Gewaltbereiten, kamen sogar noch weit mehr zu den G20-Demonstrationen. 30.000 vermummte Aggressoren zogen durch die Stadt und tobten bitterlich. Teils schwer bewaffnet und ausgestattet wie im Krieg kamen aus mehreren Ländern Europas aggressive GewalttäterInnen nach Hamburg, sie geben sich Namen wie „USK“, „BFE“ oder „SEK“, mehrere Kolonnen Randalierer machten sich sogar aus Österreich auf den Weg zum Gipfel, die sogenannte „WEGA“.

Die Rede ist offensichtlich von der Polizei. Während die Crème de la Crème der bürgerlichen Einheitsfront aus CDU, SPD und Springerpresse auf der einen Seite das „Fest der Demokratie“ begeht und huldigt, also den G20-Gipfel der Ausbeutung und Unterdrückung, werden auf der anderen Seite die notwendigen antikapitalistischen Proteste kriminalisiert und die Polizei spielt Krieg im eigenen Land. Bereits zu Beginn der Woche wurden hart erkämpfte und letztlich genehmigte Protestcamps von der Polizei brutal geräumt. JournalistInnen, Abgeordnete, JuristInnen und CampteilnehmerInnen wurden geprügelt, mit Pfefferspray angegriffen und ihrer Grundrechte beraubt. Der G20-Gipfel fand also schon vor den eigentlichen Demonstrationen einen passenden Beginn. Mittwoch hatte sich die Lage dann zumindest etwas beruhigt und es konnte – gnädiger Weise – gecampt werden. Natürlich nicht ohne nächtliche Schikanen der Cops. Man war von Seiten der Polizei offenbar verärgert, sich an Gerichtsbeschlüsse halten zu müssen, von denen auch mal die Bevölkerung profitiert.

Weiterhin verärgert ging es von Seiten der Exekutive dann auch auf den Demos zu. Bereits die erste größere Demo am Donnerstag wurde unter dem lächerlichen Vorwand des Verstoßes gegen das Vermummungsverbot massiv angegriffen – es kam zu zahlreichen Verletzten. Die entsprechenden Bilder machten die Runde, sogar bürgerliche PressevertreterInnen attestierten dem brutalen Agieren der Polizei eine grobe Unverhältnismäßigkeit. JournalistInnen berichteten, von der Staatsgewalt angegriffen worden zu sein. Übereinstimmenden Presseberichten zufolge befand sich eine Person am Freitag noch in einem kritischen Zustand.

Als wir mit unserer Delegation am Freitagvormittag das Protestcamp im Altonaer Volkspark erreichten, waren wir erwartungsgemäß müde und legten uns erstmal zwei Stunden schlafen. Später fiel uns auf, dass bereits am Freitag mehrere Personen am Zeltplatz Bandagen trugen, die Verletzten im Camp wurden bis zum Sonntag nicht weniger. Zugeschwollene Augen, verbundene Platzwunden und humpelnde DemonstrantInnen sprachen Bände darüber, was der deutsche Staat mit seinen Stiefeltruppen während der verschiedensten Demos in der Stadt anrichtete. Mehrere Menschen erzählten uns von den Ausschreitungen in den Vierteln Hamburgs. AugenzeugInnenberichte derer Leute, die gegen Mauern gedrängt und geprügelt wurden, reihten sich in die Erzählungen neben bewusstlos geschlagene und mit Pfefferspray besprühte Menschen. Teilweise waren sogar Unbeteiligte von den Repressionen betroffen und auch ein offener Knochenbruch hinderte die PolizistInnen nicht daran, eine Verhaftung durchzuführen. Deutsche und österreichische PolizistInnen gingen dieses Wochenende gegen alle Personen auf der Straße vor, nicht nur gegen den viel besagten „Schwarzen Block“.

Samstag fand die Großdemo statt, an der wir uns beteiligten. Auch wenn die Polizei immer wieder vereinzelt versuchte, zu provozieren und Blocks zu stoppen, verlief die mit rund 76.000 TeilnehmerInnen gut besuchte Demo friedlich und erfolgreich. Dies zeigte deutlich, dass sich die Menschen in ihrem Protest gegen die kapitalistische Ausbeutung und imperialistische Kriegsmaschinerie nicht einschüchtern und spalten ließen. Jedoch ließ die Polizei im Anschluss noch die Muskeln spielen, kesselte und verhaftete kurdische GenossInnen und andere Linke. Über das ganze Wochenende tauchten immer mehr Fotos von Einheiten der Polizei mit Sturmgewehren auf, die nachts im Schanzenviertel Hamburgs auf Häuser zielten, einschüchterten und Hausdurchsuchungen durchführten – natürlich alles für die Sicherheit.

Wenn man also des Nachts um drei Uhr von dem ständig über den Zelten kreisenden Polizeihubschraubern geweckt wird, hat man Zeit, mal nachzudenken, was hier in dieser kleinen Parallelwelt eigentlich passiert. Warum marschieren hier zigtausende Bullen mit teils schwerer Bewaffnung auf? Warum kreisen überwachende Helikopter zu viert oder fünft gleichzeitig über den Dächern einer europäischen Stadt? Warum schikaniert man schlafende DemonstrantInnen in ihren Camps mit Schlafentzug und ständigen Drohungen von Räumung? Warum eskaliert man Situation um Situation, selbst wenn Pfefferspray und Wasserwerfer sogar schon die eigenen KollegInnen erwischen? Und warum macht man den ganzen Zirkus dann auch noch in einer der Städte mit dem größten antikapitalistischen Protestpotenzial? Im Angesicht der am G20-Gipfel besprochenen Inhalte liegt die Antwort auf der Hand: Das Kapital probt den Aufstand.

Von den herrschenden Eliten der G20 werden und wurden keine Pläne besprochen, die der Mehrheitsbevölkerung dienlich sind. Bei diesem Treffen geht es um Profitmaximierung und Ausbeutung – und das auch mit österreichischer Rückendeckung. Und das wissen viele Menschen. Wenn die Angestellte Donnerstagfrüh wegen der großräumigen Sicherheitssperren zu spät in die Arbeit kommt und der Chef schimpft, ist sie nicht einfach nur mehr genervt. Der Eindruck, dass hier etwas nicht stimmt, verdichtet sich. So viele Autos können gar nicht brennen, so sehr können sie uns gar nicht verarschen, als dass die Widersprüche, die diese Eliten des globalen Kapitalismus mit ihren Aktionen erzeugen, unbeachtet bleiben.

Klarerweise gilt es festzuhalten, dass wir die Plünderungen und Ausschreitung für völlig verfehlt halten. Wer daran wirklich beteiligt war, ist unklar. Zahlreichen Berichten zufolge mischte sich auch eine relevante Anzahl an PartygängerInnen in die nächtlichen Tumulte. Weiters gilt es festzuhalten, dass sich zivile PolizistInnen bei Demos dieser Art immer wieder zur Provokation unter die Demonstrierenden mischen. Linke (oder solche, die sich dafür halten), die sich an solchen Sinnlosigkeiten beteiligen, erweisen der Bewegung einen Bärendienst. Denn nicht die BesitzerInnen kleiner Läden sind unser Gegner. Unsere Gegner sitzen in Konzernvorständen, in Militärstäben, Parlamenten und Regierungen – hier liegt die Verantwortung für millionenfach ausgeübte Gewalt. Kriege und wirtschaftliche Ausbeutung treiben ganze Weltregionen der sogenannten Peripherie in bittere Armut und Verzweiflung, zwingen Menschen zur Flucht. Dieselben, die an abgeworfenen Bomben profitieren, sind es, die in den kapitalistischen Zentren ihre Profite mit längeren Arbeitszeiten, schlechtem Lohn, hohen Mieten und teureren Lebensmitteln machen.

Was die letzten Tage in Hamburg passiert ist, war nicht einfach Polizeigewalt. Es war strukturelles, staatliches Vorgehen gegen Protest, gegen diejenigen, die sich diese Ordnung nicht mehr gefallen lassen wollen. Die Herrschenden nutzten die Proteste, um Militarisierung im Inneren voranzutreiben, breit angelegte Repression auszuüben und Generalübungen zur Aufstandsbekämpfung durchzuführen. Alles, aber auch wirklich alles Mögliche, wurde unternommen, um unsere Proteste im Keim zu ersticken. Die Stiefeltruppen des Kapitals wurden in Heerscharen ausgeschickt um die „Untertanen“ zurechtzuweisen und sie sind gescheitert, wir sind nur wütender und stärker durch ihre Angriffe und Verfassungsbrüche.

Sieht man sich die zufriedenen Gesichter der Regierungschefs der G20 in der Elbphilharmonie beim Klang der Europahymne an, könnte man meinen, sie seien siegessicher in ihrem Kampf gegen Fortschritt. Richtet man den Blick auf die riesigen Protestwellen in Hamburgs Straßen, erinnert man sich an Rosa Luxemburgs Worte: „Eure Ordnung ist auf Sand gebaut“.