Die Glocken läuten noch auf dem Petersplatz in Rom, aber wir wollen eine erste Einschätzung versuchen zu geben, was die 115 alten Männer in Rom verbrochen haben. Die Mainstream-Medien überschlagen sich schon im fortwährenden Bejubeln vom 76-jährigen Jorge Mario Bergoglio alias Franziskus, Bischof von Rom und somit Papst der katholischen Kirche. Der Jesuitenpriester und bis heute gewesene Erzbischof der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires folgt Josef Ratzinger, alias Benedikt XVI., der Anfang des Monats offiziell aus Altersgründen zurückgetreten war. Bergoglio wurde von Karol Wojtyła, alias Johannes Paul II. 2001 zum Kardinal ernannt, sprich in den elitären Kreis der „Papstmacher“ aufgenommen. Er gehört somit in den Kreis der Kardinäle, die von Johannes Paul II. in die Kardianalskonferenz aufgenommen wurden, um die theologisch-erzkonservative und reaktionäre Politik des polnischen Langzeitpapstes weiterzuführen. Dazu wurde die Anzahl der Kardinäle eigens von Johannes Paul II. erhöht. Die Wahl Jorge Bergoglio steht hier für Kontinuität und stellt keinen Bruch dar.

Johannes Paul II. hatte sich dem Kampf gegen den real-existierenden Sozialismus verschrieben und säuberte für eine eiserne Front gegen Fortschritt und Emanzipation mehrmals die eigenen Reihen und exkommunizierte dutzende Befreiungstheologen und andere kritische Geister innerhalb der katholischen Kirche. Dabei war Joseph Ratzinger, der spätere Benedikt XVI als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, die bis 1908 noch Heilige Inquisition hieß und Jahrhunderte lang mit terroristischen Mitteln Kritiker und Abweichler Mundtod und meistens gleich ganz Tod machte, die willige und gleichzeitig treibende rechte Hand des Papstes. Als dieser Gotteskrieger Papst wurde, orientierte Ratzinger, aufbauend auf der Niederlage des Sozialismus in Osteuropa, vom Kampf gegen die materiell gewordenen Macht der Unterdrückten und Ausgebeuteten hin zum den Kampf gegen alles Säkulare und gegen die sich ausbreitenden evangelikalen Sekten. Bei den evangelikalen Sekten geht es darum, neue Konkurrenten auf dem Markt der Volksverdummung klein zu halten. Die Schlacht gegen alles Säkulare soll geführt werden, um die letzten Reste des ideologischen Überbaus des Sozialismus aus den Köpfen der Menschen zu vertreiben und dazu gehört nicht nur Befreiungstheologie, Marxismus und eine rationale Weltsicht, sondern auch Errungenschaften der bürgerlichen Revolutionen, wie die Emanzipation der Wissenschaft von der Glaubenslehre oder die Menschenrechte. Kurz gesagt, mit dem Papst zurück ins Mittelalter, aber halt auch ohne lästige Konkurrenz seitens genauso rückwärtsgewandter christlicher Fundamentalisten. Dazu führte Benedikt XVI. einen vornehmlich intellektuellen Kampf gegen das 2. Vatikanische Konzil, auf dem die katholische Kirche in den 1960-iger Jahren versucht hatte, sich zu modernisieren und ein attraktiveres Angebot gegen Sozialismus und Aufklärung zu gebären. Die Rehabilitation klerikal-faschistischer Kreise in der katholischen Kirche, sowie eine zurück“reformierte Liturgie war die Aufgabe auf der praktischen Seite.

Der neue Papst steht nun vor der Aufgabe mit einem als sozial und christlich verschleierten Programm für eine reaktionäre und kapital-freundliche Lösungsstrategie der Krise zum einen bei den herrschenden Kreisen der Bourgeoisie und deren staatlichen Würdenträger zu werben und zum anderen die Milliarden Verlierer von Klassenkampf und dem Bruch mit dem kapitalistischen System hin zu einem demütigen Erleiden und Handeln im Sinne der Profiteure der Weltwirtschaftskrise zu überzeugen und zu desorientieren. Für diese Aufgabe, ohne die Generallinie vom Kampf gegen Fortschritt, Emanzipation und Aufklärung seiner Vorgänger zu verletzten, hat die Riege der alten Männer heute eine gute Wahl getroffen.

Der 1936 geborene Argentinier wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und trat nach dem Schulabschluss in den Jesuitenorden ein. Dieser Orden wurde als „Schwert Jesu“ in Zeiten der Reformation gegründet, mit der Aufgabe als eine streng katholische Gemeinschaft von Intellektuellen den Kampf zuerst gegen die Reformation und dann gegen die Aufklärung und den Humanismus ideologisch zu führen und zu organisieren. Dies taten und tun sie ohne Rücksicht auf Verluste und dank dieser Skrupellosigkeit auch recht erfolgreich. Danach durchlief er den internen Betrieb der Katholischen Kirche in Argentinien bis er 1998 zum Erzbischof von Buenos Aires geweiht wurde. Während der Militärjunta von 1976 bis 1983 soll er beim „Verschwindenlassen“ der regimekritischen Jesuiten Franz Jalics und Orlando Yorio maßgeblich beteiligt gewesen sein und hatte „gute“ Kontakte zu den führenden Kreisen der Junta. Dies leugnet Franziskus bis heute oder stellt es als mutigen Versuch da, den Jesuitenorden vor der Militärjunta zu schützen.

Gleichzeitig lässt er sich als Bischof der Armen feiern. Als entschiedener Gegner der Befreiungsideologie, die in Südamerika bis heute weit verbreitet ist und versucht aus der christlichen Lehre Motivation und Leitgedanken für eine revolutionäre Umwälzung der bestehenden Verhältnisse abzuleiten, setzte sich Franziskus als Erzbischof für die Armenfürsorge in seinem Heimatland ein. Also anstatt die Menschen zu einem selbstbestimmten Leben zu motivieren und sich aktiv dafür einzusetzen, möchte er durch „Mildtätigkeit“ die Menschen zwar vor dem Verhungern retten, aber ihnen die Chance, aus dem Teufelskreis von Armut und Ausbeutung zu entfliehen, verwehren. Ausbeutung und Elend sollen „human“ gestaltet werden, aber nicht überwunden werden und auf gar keinen Fall, der dazu notwendige revolutionäre Schritt, die Ursache dieser Armut, die kapitalistischen Produktionsverhältnisse überwunden werden.

Diesen Umstand zeigt auch programmatisch die Namenswahl Bergoglios für sein Pontifikat: „Franziskus“. Er nennt sich nach dem Ordensgründer Franz von Assisi, der im 13. Jahrhundert auf die ersten großen Krisen des feudalen Ständewesens, eine Abkehr von der Welt und eine Vergeistlichung des Lebens forderte, mit einhergehender Mittätigkeit gegenüber den Armen. Mit Spenden und karitativen Missionen sollten die übelsten Auswucherungen der mittelalterlichen Klassengesellschaft abgemildert werden und zugleich die Menschen davon abgehalten werden, sich den Problemen auf ihrer Welt zu stellen, sie zu erkennen und Wege zu suchen, sie zu überwinden. Papstnamen sollen und haben immer eine programmatische Aussage, was die jeweiligen Päpste vorhaben. Mit Franziskus sehen wir, dass er ein mittelalterliches Krisenprogramm neu auflegen möchte. Natürlich modifiziert auf die heutige Zeit, jedoch wie damals anti-emanzipatorisch und die heutigen Macht- und Eigentumsverhältnisse stützend. Dabei wird so ein Programm der Vorarbeiten seiner Vorgänger nicht widersprechen, sondern diese eingeschlagene Politik weiterführen. Darf man der bürgerlichen Presse etwas glauben, dann verkauft er sich auch besser als der grummlige Gotteskrieger Benedikt XVI. Einen Vorgeschmack auf die medienwirksame Demagogie, die wir erwarten dürfen, gab es heute auf dem Balkon am Petersdom.

Hier endet die erste Einschätzung zur heutigen Papstwahl. Natürlich kann es nur ein erster, unvollständiger Versuch sein, spontan eine Einschätzung zum neuen Papst zu geben. Einige Thesen wurden zwar kurz angesprochen, viele fehlen noch um das Bild komplett zu machen. Jedoch denken wir, dass es trotzdem dem einen oder anderen kritischen Geist eine Hilfe seien kann. Zum Schluss erinnern wir uns noch an die in der Katholischen Kirche verhassten Worte des kolumbianischen Befreiungstheologen Camilio Torres, der 1966 in den Reihen der Guerillabewegung Ejército de Liberación Nacional (ELN) fiel und davor unermüdlich mit Wort und dann mit dem Gewehr in der Hand für die Befreiung der Menschheit schritt:

„Das Gebot der Nächstenliebe verwirklicht sich heute in der sozialen Revolution. Das ist jedem gläubigen Christ Pflicht und Aufgabe zugleich.“

Dankend übernommen von der SDAJ München