Werner Faymann, InfrastrukturministerDie ungekürte Weltmeisterin des Umfallens im Liegen, die SPÖ, hat es also erneut geschafft, deutlich zu machen, auf welcher Seite sie steht. Die Absage der Parteispitze an Vermögenssteuern reiht sich in eine lange und grausige Geschichte ein. Doch Überraschung ist das keine und des Pudels Kern in den langen Debatten um eine (Lohn-)Steuerreform liegt nicht im „Umfaller“ Nr. dreihundertfünfundsechzigtausend der österreichischen Sozialdemokratie.

882.184 Unterschriften – ja wofür denn eigentlich?

Über Monate hinweg wurden von ÖGB und AK fast 900.000 Unterschriften, also über zehn Prozent der österreichischen Bevölkerung, unter der Losung “Lohnsteuer runter!” gesammelt. Das ist eine gewaltige Zahl und zeigt zu welchen Mobilisierungen der ÖGB in der Lage ist – wenn er denn nur will. Und tatsächlich tun eine Senkung der Lohnsteuer und zumindest eine in Ansätzen gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums Not: Millionen Menschen spüren beim Griff ins Geldbörsel täglich, dass immer weniger zum Leben übrig bleibt. Während sinkende Reallöhne, Teuerung beim täglichen Bedarf und Mietpreissteigerungen zu einer beständigen Verschlechterung der Lebenssituation führen, wurden Kapital und Unternehmen in den letzten Jahrzehnten ein Steuergeschenk nach dem anderen gemacht. Sie wurden systematisch entlastet. Die breite Bevölkerung ebenso systematisch belastet.

Das von ÖGB und AK im Herbst 2014 vorgestellte Konzept einer Lohnsteuerreform ist inhaltlich bereits ein Kompromiss, wie er ansonsten am Ende von handzahmen Verhandlungen der Sozialpartner vom Grünen Tisch steht und für spürbare Verbesserungen nicht geeignet. Zumindest ähnlich fatal wie der lauwarme Kompromiss, der das Konzept schon immer war, war dann schließlich die Herangehensweise an die Umsetzung. In einer Bittstellerposition blicken Gewerkschafts- und AK-Spitzen treuherzig in Richtung Bundesregierung und verkündeten: „Jetzt liegt’s an der Regierung!“ Was dabei herauskommt, war abzusehen und wir wohl nachdem dem jetzigen „Umfaller“ in bester sozialdemokratischer Tradition im Detail nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. Die gewerkschaftliche Kapitulation passierte aber bereits davor.

Augenauswischerei statt Kampf

Die Thematisierung von ungleichem Steueraufkommen ist im Rahmen der Auseinandersetzung um gesellschaftlichen Reichtum notwendig. Zwei Drittel der österreichischen Staatseinnahmen speisen sich aus Lohn- und Mehrwertssteuer, also den beiden Massensteuern. Gewinne machen lediglich knapp über 5% aus und die effektive Steuerleistung von Großunternehmen liegt gerade mal bei 19%. Mit der Kampagnisierung der Lohnsteuerfrage ist es gelungen, tatsächliche betriebliche und gewerkschaftliche Auseinandersetzungen noch mehr in den Hintergrund treten zu lassen. Die peinlichen Abschlüsse der herbstlichen Kollektivvertragsrunden können davon ein trauriges Lied singen. Denn während vor vier Jahren auf dem Boden von geführten Streikauseinandersetzungen und Arbeitsniederlegungen noch eine Lohn- und Gehaltserhöhung von 4,2% und eine Erhöhung der unteren Einkommen von 5,3% durchgesetzt werden konnte, kam der Metall-KV mit seiner Signalwirkung auf alle anderen Branchen letztes Jahr gerade mal auf die Hälfte. Und was in Auseinandersetzungen um Löhne, Gehälter und Arbeitsbedingungen gilt, gilt auch dann, wenn es darum geht, bei Steuerfragen Erfolge im Sinne der breiten Mehrheit der Bevölkerung zu erreichen: kein Betteln, kein Bitten – nur mutig gestritten!

1,5 Milliarden? A Schas im Wald!

Die wahlweise Empörung, Überraschung oder Resignation im Zusammenhang mit dem „Umfaller“ ist allerdings keineswegs überraschend. Und es gilt hier vor allem eine gewisse Relation zu wahren. Denn das handzahme ÖGB/AK-Modell, das an die Bundesregierung herangetragen wurde, war bereits nicht dazu geeignet, eine spürbare Verbesserung im täglichen Leben zu schaffen. Dass dem nun auch noch der letzte Funken einer verteilungspolitischen Gerechtigkeit gewichen ist, ist ebenso bezeichnend wie in Relation gesehen egal. Die kolportierten 1,5 Milliarden, die sich im Rahmen der Gegenfinanzierung der Steuerreform aus einer Vermögenssteuer speisen sollten, sind nichts anderes als ein heißer Tropfen auf dem Stein des HYPO-Milliardengrabs. Sind nichts im Vergleich dazu, dass von 1998 bis 2013 die Dividendenausschüttungen und Gewinnentnahmen der Kapitalgesellschaften um 92% gestiegen sind, während Einkommen aus Arbeit beständig und rasant sinken: minus 14% beim Mittel an ArbeiterInnen, minus 44% beim unterstens Zehntel der ArbeiterInnen (alle Zahlen inflationsbereinigt, Einkommensbericht Rechnungshof 2014). Und die 1,5 Milliarden staatlicher Einnahmen aus Vermögenssteuern wären auf gut österreichisch zwar besser als a Stein am Schädel, allerdings angesichts dessen, dass hierzulande das reichste ein Prozent 38% des Vermögens besitzt und die Hälfte der Menschen in diesem Land, also vier Millionen, gerade mal zwei Prozent, lediglich ein Schas im Wald.

Kein Umfaller, sondern sozialdemokratischer Normalzustand

Das jetzt in gewohnter Manier einsetzende Jammern und die schon tausendfach geäußerten Stehsätze, werden aber nichts daran ändern, dass ganz klar festzuhalten ist, dass es sich bei der sozialdemokratischen Absage an Vermögenssteuern tatsächlich um keinen Umfaller handelt. War die SPÖ in der vielgerühmten Ära Kreisky materiell und ideologisch bereits so stark an den staatsmonopolistischen Kapitalismus und den dementsprechenden Apparat inklusive lukrativer Vorstandsjobs und anderer Privilegien gebunden, dass das einzig sozialistische ihr Name war, wurde dieser Anfang der 90er konsequenterweise abgelegt. In den Neunzigern hatte die SPÖ nicht nur ihren Frieden mit dem Kapitalismus geschlossen, sondern wurde fester Bestandteil und verlässliche Partnerin des wieder aggressiver werdenden Kapitals, das nach dem Untergang der realsozialistischen Staatenwelt in Europa Morgenluft witterte. Die Privatisierungen, der Bildungs- und Sozialabbau, den die SPÖ heute der schwarz-blauen Koalition vorwirft, hat sie selbst vorbereitet und in trauter Einigkeit mit der ÖVP vorangetrieben.

Die österreichische Sozialdemokratie ist heute und das nicht erst seit [für ein Mitarbeitsplus bitte an dieser Stelle einen beliebigen „Umfaller“ der letzten Jahre einsetzen] eine zentrale Kraft, wenn es darum geht, die kapitalistische Ausbeutung mitzuorganisieren und entsprechende Profite an die innerparteilichen Futtertröge des Systems SPÖ auszugeben. Doch all die Beteuerungen in Wahlkämpfen und all die Anträge auf Parteitagen, wo zumindest laut Beschlusslage eine Ausbesserung der allerschlimmsten Erscheinungen des Kapitalismus und ein Wegreformieren der allerbösesten Ausrutscher eines System, das auf Ausbeutung und Entmenschlichung beruht, anstehen würden, sind genauso schnell wieder vergessen wie der Jubel über das Durchgehen eines besonders kritischen Antrags, der selbstverständlich prompt in die Schublade wandert, wenn es darum geht, in trauter Einigkeit mit ÖVP und Kapital Politik gegen die Interessen der Menschen zu machen. Es handelt sich also beim „Einknicken“ beim Thema der Vermögenssteuern nicht um den „Umfaller“ Nr. dreihundertfünfundsechzigtausend, sondern um den sozialdemokratischen Normalzustand.