Zu gewinnen wird es für breite Teile der Menschen in diesem Land bei den anstehenden Nationalratswahlen nichts geben. Die Zeichen stehen auf Sturm und das Kapital bereitet sich – in der einen oder anderen Konstellation – auf einen erneuten Angriff auf unsere demokratischen und sozialen Rechte vor. Damit wird sich eine künftige Regierung nahtlos in die Politik ihrer Vorgängerin einreihen und den Kahlschlagskurs weiter verschärfen. 

 

Gusenbauer-Faymann-Kern: die Jahre unter rot-schwarz

Mit Pauken und Trompeten geht die bisherige SPÖ-ÖVP-Koalition unter. Der rechte Koalitionspartner hantelt sich dieser Tage von einem Skandal zum nächsten und der noch rechtere hat im Rahmen einer erstaunlichen Inszenierung im bisherigen Außenminister einen neuen Heiland gefunden. Die Bilanz der aktuellen Regierung ist so wenig überraschend wie sie positiv ist.

Nach mittlerweile über elf Jahren sozialdemokratischer Bundeskanzler und rot-schwarzer Regierungen, stehen wir in Österreich vor der Tatsache, dass sich nichts zum Besseren gewendet hat, im Gegenteil. Wir leben in einem Land, in dem der gesellschaftliche Reichtum und das Einkommen so ungleich verteilt sind wie in kaum einem anderen Staat Europas. Der gewaltigen Konzentration von Geld, Immobilien, Wertsachen, usw. auf der einen, entspricht eine evidente Verarmung auf der anderen Seite. Das reichste ein Prozent der Bevölkerung besitzt über 40 Prozent des Vermögens. Die unteren 50 Prozent besitzen gerade einmal 2,5 Prozent des Vermögens. Den Milliardären und Millionären stehen über eine Million Arme und armutsgefährdete Menschen gegenüber.

Arbeitslosigkeit, zunehmender Druck am Arbeitsplatz, in Schulen und Unis, Kürzungen bei sozialen Leistungen und fehlende Mittel für Gesundheitsversorgung, Pensionen oder Bildung: all dies fällt nicht vom Himmel, sondern hat System. Es ist dies das System des Kapitalismus und der Regierungen und Parteien, die ihn stützen. In einer schon beeindruckenden Dreistigkeit tun die bisherigen Regierungsparteien nun so, als wären sie nie in der Regierung gesessen. Die letzten zehn Jahre waren die Jahre der Bankenrettungspakete, der „Rettungsschirme“, der sinkenden Löhne und steigenden Mieten. Sie waren die Jahre, in denen alles daran gesetzt wurde, die Eliten froh und munter durch die Krise zu schaukeln, was so beantwortet wurde, wie Fragen unter den aktuellen Kräfteverhältnissen nun mal beantwortet werden: um den Reichtum und die Profite der Eliten zu schützen und auszubauen, kriegt die Mehrheit der Bevölkerung auf den Deckel. Und zwar pausenlos. Das ist die einfache Bilanz nicht nur der letzten Bundesregierung, sondern auch ihrer Vorgängerinnen.

 

Du merkst, dass Wahlen anstehen…

…wenn die österreichische Sozialdemokratie plötzlich Reförmchen im Sinne der Mehrheit der hier lebenden Menschen entdeckt. Auf gewisse Sachen ist eben Verlass in diesem Lande. Das Amen im Gebet, die Raiffeisen-Spenden für die ÖVP, der Regen, der von oben nach unten fällt, und die sozialen Phrasen der SPÖ vor Wahlen. Es wirkt hier jedes Mal so, als wäre die Partei jahrelang am Gängelband der Volkspartei gehangen und würde nun endlich Morgenluft wittern. Da werden Werbefirmensprüche affichiert, da spielt der Kanzler auf Plakaten Fußball, da kommt die Sozialdemokratie aus heiterem Himmel drauf, dass die Mieten in diesem Lande permanent steigen: same procedure as last election also.

Am besten hat’s aber der erste SP-Bundeskanzler dieses Jahrtausends, Alfred Gusenbauer, vorgezeigt: kaum in Amt und Würden flugs alle Wahlversprechen gebrochen (wir erinnern uns: damals ging’s gegen Schwarz-Blau) und mittlerweile als Diktatorenberater und Dauersesselwärmer in diversen Aufsichtsräten unterwegs.

Bei aller aktueller Aufregung um dirty campaining und Co. sollte Eines stets in Erinnerung gerufen werden. Denn was sind schon schmierige Berater, bescheuerte Werbefuzzis und Facebook-Seiten gegen jene Funktion, die die SPÖ schon lange Zeit in diesem Lande ausübt: sie ist die zentrale Stütze des herrschenden Systems, versetzt Gewerkschaften über die Sozialpartnerschaft in den Dornröschenschlaf und lullt ihre eigenen Parteigänger mit dem immer selben Schwachsinn aufs Neue ein. Nur war dann der Messias Kern doch keiner, die #kernboys und #kerngirls haben ihre Selfies umsonst gemacht und der Plan A steht für neoliberale Verbrechen und für dieselben Ideen wie ihr Koalitionspartner – nur in schönere Worte verpackt.

 

Offensive unter Kurz

Die ÖVP stand nie aufseiten der Arbeitenden, vertrat nie die Interessen der armen Bevölkerungsteile und der Jugend. So weit, so bekannt. Was sich in den letzten Monaten in der ÖVP getan hat, ist allerdings schon bemerkenswert. Wer hätte denn noch vor einem Jahr gedacht, dass ein Emporkömmling wie er im Buche steht die gesamte Partei mit ihren Bünden und Pfründen übernehmen könnte und aus dem Umfragetief raus führt.

Die große Kurzshow macht’s offenbar möglich und ihre Absurdität ist himmelschreiend: in türkisem Tarnumhang wird so getan, als wäre hier irgendetwas Neues zu finden. Als würde sich die ÖVP plötzlich gegen das verkrustete System (welches, lassen wir an dieser Stelle mal offen) wenden und unter Fanfarenklängen nun zu neuen Ufern aufbrechen. Zur Auffrischung: die ÖVP sitzt seit über 30 Jahren durchgehend(!) in der Regierung (davor gab’s übrigens zwei mal Rot-Blau aber das nur am Rande). Schnösel Kurz selbst ist seit sechs Jahren in der Regierung.

Kurz steht aber für eine erneut verschärfte Attacke auf unsere Rechte. Mit menschenverachtender Demagogie und autoritärem Taumel wird von ihm der Sturmlauf auf die Überreste sozialer Absicherung in Österreich eingepeitscht. Die Arbeiterkammer gelte es zu entmündigen, die „Fleißigen“ (lies: reiche Erben) sollen wieder gerecht behandelt werden, Steuergeschenke für die Reichen, Hartz IV auf Österreichisch, 12-Stunden-Arbeitstag, eine noch offener rassistische Staatsdoktrin und viele weitere Widerlichkeiten stehen auf einer Agenda, die sich liest wie der Wunschzettel von Mateschitz, Stronach, Swarovski und Co.

 

Wenig Platz am rechten Rand

Die FPÖ würde bei so ziemlich allen Schweinereien, die der „neuen“ ÖVP so vorschweben mit Gewehr bei Fuß stehen – und in einigen Punkten noch einen drauf setzen. Doch ihre liebe Not hat sie mit dem jetzigen Außenminister schon, werden hier doch ihre zentralen Themen aufgegriffen, teilweise abgeschwächt öfters noch verstärkt von Kurz eingesetzt. Es ist schon eng am rechten Rand in diesem Land. Was die FPÖ in Umfragen einbüßt, wandert Großteils zur ÖVP.

Wer sich an dieser Stelle dazu geneigt sieht, über den Negativtrend des letzten Jahres bei den FPÖ-Umfragewerten zu jubeln, dem sei zweierlei gesagt: Erstens war es nicht die schwarz-blaue Regierung, die einen Großteil von Haiders gescheitertem „Ausländervolksbegehren“ im Laufe der Jahre in Gesetzesform gegossen hat, sondern SPÖ-ÖVP-Koalitionen. Die FPÖ braucht zu einem gewissen Grad gar nicht in der Regierung sitzen oder auf über 30% der Stimmen kommen, damit ihre Politik umgesetzt wird. Zweitens ist ein einstweiliger (Stimmen-)Verlust im Grunde gleich, wenn der Grund dafür ist, dass überschneidende politische Positionen in Form von Scharfmacher Kurz gewählt werden.

Die FPÖ ist eine Partei der Reichen, Konzerne, Banken und Unternehmen, sie vertritt nämlich ihre Interessen. Immer wenn die FPÖ in einem gewissen Rahmen das Sagen hatte, wurden die arbeitenden Menschen ausgenommen, öffentliches Eigentum verscherbelt, die Reichen mit Geschenken überhäuft und – last but not least – fest in die eigene Tasche gewirtschaftet. So ist es bei aktuellen Regierungsbeteiligungen wie in Oberösterreich oder Graz. Und so war es – in einem weitaus umfassenderen Rahmen – auch bei Schwarz-Blau ab 2000.

 

Gegen die Regierung der Reichen

Keine Frage: eine Regierung zwischen ÖVP und FPÖ wird unsere demokratischen, sozialen und Arbeitsrechte in einem größeren Umfang angreifen, als dies beispielsweise eine Neuauflage der Großen Koalition tun würde. Angriffe auf zentrale Errungenschaften der ArbeiterInnenbewegung wie die Arbeiterkammer, Kollektivverträge und arbeitsrechtliche Grundsätze würden eine deutliche Zuspitzung erfahren. Ebenfalls müsste mit einem weiteren Ausbau des Überwachungsstaats sowie weiteren Verschärfungen im Versammlungsrecht zu rechnen sein. Und wird sind gut daran beraten uns besser gestern als morgen auf diese verschärften Kämpfe einzustellen.

Dennoch wird sich die grundsätzliche Politik der Regierung – ob der Kanzler nun Kurz, Kern oder Strache heißt – eben nicht ändern. Es wird eine Regierung der Reichen sein. Eine Regierung sein, die die Beschäftigten, die Arbeitslosen und die Armen schröpft und ausnimmt. Eine Regierung sein, die im Interesse der gesellschaftlichen Eliten handelt. Denn die bestimmende Frage bleibt: welchen Interessen nutzt eine Regierung? Steht sie aufseiten der Ausbeuter oder aufseiten der Ausgebeuteten?

 

Unsere Aufgabe: die Stimme erheben

Mit der Oktoberrevolution wurde vor hundert Jahren der Beginn eines neuen Zeitalters der Menschheitsgeschichte eingeläutet, das Zeitalter des Sozialismus. Ein zwischenzeitlicher Sieg und die scheinbar alles überdeckende Rache der Reaktion nach 1989/91 können nichts daran ändern, dass unsere Zeit kommt. Glauben wir nicht den Lügen davon, dass wir in einem alternativlosen System leben würden. Gehen wir nicht den Scharlatanen auf den Leim, die meinen, wir sollten den Gürtel enger schnallen, weil wir alle über unseren Verhältnissen gelebt hätten. Widersetzen wir uns den ewig gleichen Gaunern, die uns weismachen wollen, dass die Grenzen nicht zwischen oben und unten, sondern zwischen den Völkern verlaufen. Und widersprechen wir all jenen, die meinen, durch Reformen dort oder da ließe sich ein menschenfeindliches System in seinen Grundfesten umkehren und zum Wohle aller transformieren.

Wir sind der Auffassung, dass es einen umfassenden Bruch mit den herrschenden Verhältnissen geben muss. Dazu darf den Menschen kein Sand in die Augen gestreut werden. Es braucht den Aufbau von Widerstand und Gegenmacht auf allen Ebenen gesellschaftlichen Seins. Der Aufbau dieser Strukturen wird nicht von heute auf morgen und nur vereinzelt im Zusammenhang mit Wahlen passieren. Hierfür benötigt es einen langen Atem und konsequente Arbeit. Die gemeinsame und zu Ende gedachte Vertretung der Interessen all jener, für die die herrschenden Verhältnisse keine Perspektive, sondern nur Ausbeutung, Rassismus und Sexismus zu bieten haben, ist und bleibt der Anker unserer Tätigkeit. Die entschlossene Organisierung gegen alle Verhältnisse, „in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ (Marx), bleibt unsere Empfehlung: vor, während und nach den Wahlen.

 

Beschlossen von der gemeinsamen Bundesleitung von KJÖ und KSV am 7. Oktober 2017