Eine Nachbetrachtung zu den 19. Weltfestspielen der Jugend und Studierenden

Mitte Oktober fanden im russischen Sotschi die 19. Weltfestspiele der Jugend und Studierenden statt. Es war absehbar, dass die diesjährigen Weltfestspiele unter schwierigen politischen Bedingungen stattfinden werden. Die Schwierigkeiten, die sich schon in der Vorbereitung bemerkbar machten, sollten im Verlauf des Festivals nur noch stärker zum Vorschein treten. Eine Nachbetrachtung der KJÖ-Delegation.

 

Die Weltfestspielbewegung: historischer Rückblick

Bevor wir jedoch zu den diesjährigen Weltfestpielen kommen, wollen wir uns noch kurz mit ihrer Geschichte auseinander setzen. Die Weltfestspiele waren stets ein globaler Treffpunkt fortschrittlicher, antiimperialistischer und kommunistischer Jugendverbände, organisiert werden sie in regelmäßigen Abständen vom Weltbund der Demokratischen Jugend. Bereits 1947, zwei Jahre nach Gründung des WBDJ, fanden in Prag die ersten Weltfestspiele statt. 17.000 junge Menschen trafen sich damals, um unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges gemeinsam ein Zeichen für „fortwährenden Frieden“ zu setzen. Von diesem Zeitpunkt an wurden die Weltfestspiele zu einer Institution des gelebten Internationalismus. 1959 machten die 7. Weltfestspiele auch in Österreich Station. In diesem Jahr beherbergte Wien fast 20.000 junge Menschen aus aller Welt. „Für Friede, Freundschaft und friedliche Koexistenz“ wurde zum Motto der ersten Weltfestspiele, die in einem kapitalistischen Land tagten. Das Ende der UdSSR und der realsozialistischen Länder in Osteuropa brachte auch für die Weltfestspiele eine längere Pause. Acht Jahre lang setzten sie aus, bevor 1997 eine Wiederaufnahme erfolgte. Austragungsort war mit Kuba bezeichnenderweise ein Land, das aller Schwierigkeiten zum Trotz den sozialistischen Weg weiter gegangen war. Es folgten Festivals in Algerien, Venezuela, Südafrika und zuletzt 2013 Ecuador. Mit dabei war jedes mal auch eine Delegation aus Österreich.

 

Zwei Festivals an einem Ort

Traditionell kann ein Event in der Größenordnung der Weltfestspiele nicht alleine vom WBDJ gestemmt werden, die jeweilige Regierung des gastgebenden Landes stellt Infrastruktur und Ressourcen zur Verfügung und versucht – mal mehr, mal weniger – ihre eigenen Interessen geltend zu machen. Die russische Regierung hatte von Beginn an eigene Vorstellungen davon, wie das Festival auszusehen hat. Schon im Vorfeld sprach Präsident Putin davon, das Festival nicht zu „ideologisieren“ und es wurden Bemühungen offensichtlich, den politischen Inhalt (zumindest den fortschrittlichen) zu marginalisieren.
Große russische Unternehmen traten als Festivalsponsoren auf und dominierten an vielen Orten das Festivalbild. Es wurde ein Parallelprogramm abgehalten, in welchem Karrierechancen, Produktentwicklung und die Vernetzung von Banken und Konzernen im Vordergrund standen. Zudem hielt die russische Luftwaffe an einem Festival, welches sich gegen imperialistische Kriege und für Frieden einsetzt, eine Leistungsschau direkt über dem Festivalgelände ab. Es war klar, dass hier eine große Show für die vielen tausend russischen Jugendlichen präsentiert und das Bild eines starken, modernen und kapitalistischen Russlands gezeichnet werden sollte. Diese Leistungsschau des russischen Kapitals kann als durchaus gelungen betrachtet werden.

Der WBDJ und die politischen Ziele des Festivals wurden in den Hintergrund gedrängt. Von russischer Seite wurden Beschlüsse mehrfach einseitig verletzt um das Festival für die russischen Interessen „fit“ zu machen. So wurde beispielsweise der vorab beschlossene Festivalslogan faktisch durch „Together with the whole planet“ ersetzt, dieser war omnipräsent und ersetzte die antiimperialistische und systemüberwindende Perspektive des ursprünglichen. An die Stelle der einer revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft traten Individualismus, Karrierismus und Start-Up Unternehmen. Der WBDJ selbst war nicht nur am Festivalgelände kaum sichtbar, es wurden nicht einmal Büroräumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Viele Angelegenheiten mussten vom Hotelzimmer aus geregelt werden.
In der sogenannten roten Zone fand das WBDJ-Festivalprogramm statt, das im scharfen Gegensatz zu den zig Programmpunkten, die offizieller russischer Seite organisiert wurden, stand. Das umfangreiche Programm konnte Großteils erfolgreich abgehalten werden und auf der „Friendship fair“ konnten wir gemeinsam mit vielen weiteren WBDJ-Mitgliedsorganisationen das Festival, seine Geschichte und die politische Zielsetzung verteidigen und repräsentieren. Neben der offiziellen Eröffnungszeremonie im Bolschoi-Eispalast, die sich in Sachen Aufwand und Entertainment vor keiner Olympia-Eröffnung verstecken muss und bei der auch eine Rede von Nikolas Papademetriou, dem WBDJ-Vorsitzenden, Platz fand, gab es am nächsten Morgen eine Eröffnungsdemonstration eines Teils der WBDJ-Delegationen. An dieser „WBDJ-Eröffnung“ nahmen gut 1000 Menschen teil und sie markierte mit den abschließenden Reden für uns den eigentlichen Festivalauftakt.

 

Ein Festival unter erschwerten Bedingungen

Zur staatlich-russischen Version des Festivals gehörte es auch, dass es für Interessierte vorab möglich war, sich individuell über die Festival-Website anzumelden. Viele Delegationen mussten die Anwesenheit offen reaktionärer, faschistischer oder zionistischer Kräfte aus ihren Herkunftsländern feststellen. Beispielhaft zu erwähnen sind Mitglieder folgender Organisationen: AKP (Türkei), Likud und Jisra’elBeitenu – „Unser Zuhause Israel“ (Israel), Identitäre aus verschiedenen Ländern, Bharatiya Janata Party (Indien), FPÖ, Conservative and Unionist Party (GB), sowie Vertreter der Putschisten-Regierung aus Brasilien. Zudem waren Vertreter des Königreichs Marokko anwesend, die nicht nur für eine kolonialistische Regierung stehen, welche weiterhin die Westsahara besetzt hält, sondern die in der Vergangenheit explizit aus dem WBDJ und der Festivalbewegung aufgrund gewalttätiger Übergriffe ausgeschlossen wurden. Aus dem Gastgeberland war neben Regierungsvertretern unter anderem die Gallionsfigur des russischen Rechtsextremismus Wladimir Schirinowski eingeladen.
Während aus vielen Ländern unerwünschte Gäste anreisten, hatten Mitgliedsorganisationen des WBDJ vielfach Probleme, mit ihren Delegationen überhaupt am Festival teilzunehmen. So zog sich bspw. die Akkreditierung der Delegationen aus Indien, Sri Lanka und Nepal teilweise bis zu den letzten Tagen des Festivals (!), ca. die Hälfte der Delegation unserer russischen Schwesterorganisation RKSM(b) erhielt überhaupt keine Akkreditierung und der Vorsitzende unserer serbischen Schwesterorganisation SKOJ wurde am Flughafen festgehalten und wieder zurückgeschickt. Soweit kamen TeilnehmerInnen, welche mit einem Flugzeug aus Algerien anreisen wollten, gar nicht erst: ihrem Flugzeug wurde die Landeerlaubnis entzogen, es musste kurzerhand wieder umkehren.
Darüber hinaus wurden TeilnehmerInnen bei den Eingängen zum Festivalgelände mehr als sorgfältig kontrolliert. Nicht (nur) zu unserer Sicherheit: vielen Delegationen (auch uns) wurden mehrfach politische Materialien wie Flugzettel, Sticker, Banner u.a. abgenommen, teilweise wurden sie beim Verlassen des Festivalgeländes zurückgegeben, teilweise überhaupt konfisziert. Bei zwei unserer Genossen wurden zudem Pässe und Gesichter abfotografiert und an unbekannte Stellen weitergeleitet. Klar ist, dass wir diese Eingriffe in den Ablauf und den politischen Charakter der Weltfestspiele ablehnen. Wie auch der WBDJ verurteilen wir die Teilnahme offen reaktionärer, faschistischer oder zionistischer Kräfte am Festival. Außerdem werten wir die von der russischen Regierung vorgenommenen (einseitigen) Verletzungen von Beschlüssen als Angriff auf die Festivalbewegung und deren politischen Ziele.

 

Trotz alledem

Die russische Regierung hat viel Aufwand für dieses Festival betrieben. Das Resultat kann sich sehen lassen: Insgesamt nahmen mehr als 30.000 Menschen aus über 180 Ländern teil. Russische Jugendliche aus allen Teilen des Landes kamen in Sotschi zusammen, darüber hinaus gab es offizielle Delegationen aus den „abtrünnigen“ Regionen Georgiens (Abchasien und Südossetien), den Volksrepubliken Lugansk und Donezk, uvm. JedeR TeilnehmerIn bekam nicht nur eine volle Montur Festivalkleidung, sondern darüber hinaus eine Reihe an „Goodies“, deren irrsinniger Höhepunkt ein gratis Smartphone des russischen Herstellers Irbis war. In ihrem Gesamtbild spiegeln die 19. Weltfestspiele der Jugend und Studierenden die schwierige weltpolitische Situation, in der wir heute leben, wieder.
Die Einflussnahme der russischen Regierung auf die Gestaltung des Festivals wurde unterschätzt. Der WBDJ hat sich, so gut es die Umstände zugelassen haben, gegen diese Einflussnahme zur Wehr gesetzt. Das Resultat sind unter anderem mehrere Erklärungen, die noch während dem Festival veröffentlicht wurden (Erklärung zur Teilnahme reaktionärer Elemente, Erklärung bzgl. zurückgewiesener politischer Materialien). Im Grunde war jeder Tag von politischen Auseinandersetzungen um den Charakter des Festivals geprägt.

Doch es gab auch positive Entwicklungen. So kamen 36 kommunistische Jugendorganisationen aus der ganzen Welt zusammen um an den 100. Jahrestag der Oktoberrevolution zu erinnern und eine gemeinsame Presseerklärung zu verabschieden. Auch die KJÖ hat sich mit einem Redebeitrag beteiligt. Wir konnten hunderte Gespräche mit russischen Jugendlichen und GenossInnen aus aller Welt führen und damit einen bewussten Gegenpol zum unpolitischen Festivalentwurf der russischen Regierung schaffen. Außerdem konnten wir die Positionen der KJÖ an zwei Podiumsdiskussionen zu den Themen Medien und Hochschulen, an denen wir kurzfristig teilgenommen haben, vortragen.
Trotz aller Steine, die dem WBDJ und seinen Mitgliedsorganisationen in den Weg gelegt wurden, war es zweifelsfrei richtig, an den Weltfestspielen teilzunehmen. Der bewusste Einsatz für den ursprünglichen Charakter des Festivals war eine notwendige Auseinandersetzung und die dabei gemachten Erfahrungen haben uns gestärkt nach Österreich zurückkehren lassen. Fest steht für uns: die Weltfestspielbewegung wird noch viele Kämpfe zu führen haben, denn ihre Inhalte drängen sich auf. In einer Welt, die vor Ungerechtigkeit nur so schreit, in der Kriege immer deutlicher an der Tagesordnung stehen und wo die kapitalistische Ausbeutung beinahe den gesamten Globus umfasst, ist ein bewusster Gegenpol dazu notwendig. Dieser wird nicht gemeinsam mit defensiven imperialistischen Ländern wie Russland zu bilden sein – sehr wohl aber mit den Unterdrückten dieser Erde. Trotz alledem.