Politisches Wörterbuch: Nation

Zoran, Publizist, Wien

Nation (N.), die: franz. nation, latein. natio = das Geborenwerden; Geschlecht; Volk(sstamm), zu: natum, Natur.

Der Begriff wird verstärkt seit dem 17. Jahrhundert gebraucht. Frühe DenkerInnen der Aufklärung beschreiben damit Menschen, die durch eine gemeinsame (Hoch-)Sprache, Kultur, ethnische Merkmale und ein langfristig gefestigtes Siedlungsgebiet eine Gemeinschaft bilden. Ab dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775-1783) und der Französischen Revolution (1789-1804) erhält die Idee der N. Auftrieb.

 

Die N. ist eng mit der Entwicklung des europäischen Kapitalismus verknüpft. Hatten seit dem Mittelalter Kaufleute, Geldverleiher und Manufakturbesitzer (v.a. Männer) zunehmend an politischer Macht gewonnen, drängen sie nun an die Staatsspitze, um Zollschranken einzureißen. Einheitliche Maße und Währungen, ein über das eigene Tal hinausgehender Markt und industrielle Innovationen werden in einer N. begünstigt. Eine bürgerliche N. kommt etwa als repräsentative Demokratie (Österreich), konstitutionelle Monarchie (Großbritannien), Theokratie (Iran) oder faschistische Diktatur (Italien 1922-1945) daher.

Die politische Form ist wichtig für eine bürgerliche N. und gerade für jene, die darin protestieren, kämpfen. Streiks und Demonstrationen sind in Österreich trotz zunehmender Polizeigewalt noch leichter möglich als in Mazedonien oder Marokko.

Allerdings dominiert bei allen Eigenheiten die kapitalistische Basis genannte Staaten. Für die materialistische Weltsicht ist diese unabdingbar. Daher können vorkapitalistische Gesellschaften von KommunistInnen nicht als N. betrachtet werden. Hinzu kommen die drei Ur-Merkmale Sprache, Territorium, Kultur. Entfällt nur eines, bildet eine Gemeinschaft keine N.. Verschiedene Völker können zu einem Stamm gehören, dieselbe Sprache (z.B. Deutsch oder Spanisch) sprechen und eng verknüpfte Wirtschaften haben, dabei kulturelle Eigenheiten entwickeln und über eigene Territorien verfügen. Daraus entwickeln sich im Kapitalismus dann verschiedene N. (Deutschland/Österreich), Nationalstaaten (Spanien/Peru). In einer N. können mehrere Völker siedeln, die landesweit zumindest eine Amtssprache und Kultur teilen, zudem lokale Amtssprachen führen (Schweiz/Russland).

 

Je reaktionärer der politische Überbau in einer bürgerlichen N. gestaltet wird, desto eher tritt ein völkischer Begriff der N. hervor (siehe Asyldebatte). Umso stärker dient nationale Politik der Ausgrenzung von Minderheiten, ob einheimisch (Roma im Burgenland) oder zugewandert (türkeistämmig). Ihr folgt immer eine Benachteiligung der Mehrheitsbevölkerung, begründet mit ethnischen Sündenböcken.

 

Als KommunistInnen streben wir letztlich die Abschaffung der Klassen, das Absterben des Staates und damit der N., die Vereinigung der Menschheit an. Wir wählen aber nicht den Weg der Antinationalen, jegliche Nationalismen (bis auf zwei) abzulehnen.

Da unser Hauptfeind der heimische Kapitalismus ist, kämpfen wir zunächst für eine sozialistische N. einen Staat aller Werktätigen und bislang Joblosen Österreichs.

 

Wir bewerten jeden Nationalismus, jeden nationalen Befreiungskampf immer nach dem jeweiligen Klassencharakter. Wir begleiten Rojavas Wunsch um Selbstbestimmung und setzen uns ebenso für Slowenisch an Kärntner Schulen ein. Wir protestieren mit anderen in der EU und Nordamerika gegen CETA wie TTIP. Wir unterstützen Cubas antirassistischen patriotismo und bekämpfen die Identitäre Bewegung und die FPÖ.

Diese Praxis nennen KommunistInnen Proletarischer Internationalismus.

Peter, Wien

 

Lesetipps: Alfred Klahr: Zur nationalen Frage in Österreich. 1937. Basiert auf

Josef Stalin: Marxismus und nationale Frage. Werke, Band 2, Berlin 1950.

James Connolly: Sozialismus und Nationalismus. In: Bollinger: Linke und Nation, Wien 2009.